Wie hängen Menschenrechte und die Klimakrise zusammen?

Die Klimakrise – ein kurzer Überblick

Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur ist eine Folge der gestiegenen Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung. Dieser Klimawandel hat massive Auswirkungen auf den Planeten, auf dem wir leben – Anstieg des Meeresspiegels, wachsende Dürrezonen und zunehmende Wetterextreme verändern das Leben auf dem Planeten Erde dramatisch. Um die Klimakrise einzudämmen haben sich 197 Staaten bei der UN-Weltklimakonferenz 2015 in Paris darauf geeinigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen – idealerweise auf 1,5°C. Bereits heute ist es durchschnittlich 1,1°C wärmer als zu vorindustriellen Zeiten.

Die direkten Folgen der Klimakrise – Überschwemmungen, Wirbelstürme, Dürren – betreffen Menschen und ihre Rechte weltweit. Es gibt jedoch vier Dimensionen, in denen Menschenrechte von der Klimakrise betroffen siind.

Die vier Dimensionen, in denen Menschenrechte von der Klimakrise betroffen sind:

Die Folgen der Klimakrise haben direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Menschenrechte – das betrifft vor allem wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Wirbelstürme  verwüsten ganze Landstriche, Überflutungen zwingen Menschen ihre Heimat zu verlassen, Dürren lassen Nahrungsmittel knapp werden und der Meeresspiegelanstieg Grundwasserressourcen versalzen – die Klimakrise ist nicht einfach nur eine Umweltkrise, sie ist eine Krise, von der Menschen betroffen sind. Wenn Lebensgrundlagen schwinden und ein Leben in Sicherheit und Würde nicht mehr möglich ist, sind es die Menschenrechte, die betroffen sind. Das grundlegendste Recht, das von der Klimakrise bedroht wird, ist das Recht auf Leben.

Die Umweltkatastrophen geschehen überall, treffen jedoch verschiedene Teile der Welt unterschiedlich stark. Zudem sind die Ressourcen zum Ausgleich verursachter Schäden sehr unterschiedlich verteilt. So gefährdete der Dürresommer 2018 in weiten Teilen Europas zwar die Existenz tausender landwirtschaftlicher Betriebe, die Folgen konnten jedoch durch umfangreiche staatliche Unterstützung umfassend abgefedert werden. Nicht alle Staaten haben dafür ausreichende Ressourcen. Deswegen ist die Klimakrise ist extrem ungerecht und verstärkt Ungleichheiten und Diskriminierungen.

Ihre fatalen Folgen treffen zumeist jene Menschen besonders hart, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben und ohnehin strukturell benachteiligt sind. Dazu gehören zum Beispiel Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder aufgrund von anderen Merkmalen Diskriminierung erfahren.

Jene, die sich gegen die Klimakrise und für Klimagerechtigkeit einsetzen, werden in ihren bürgerlichen und politischen Rechten verletzt.
Unzählige Menschen protestieren gegen die Untätigkeit ihrer Regierungen, prangern Missstände an oder fordern Aufklärung. Dafür sind Menschenrechte, zum Beispiel die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, entscheidend. Weltweit gerät zivilgesellschaftliches Engagement aber zunehmend unter Druck und wird kriminalisiert.

Dennoch unterscheiden sich Bedingungen, unter denen sich Menschen gegen die Klimakrise engagieren, stark. Mancherorts erfahren Aktivist*innen  Polizeigewalt oder Proteste werden unterbunden. Andernorts  werden Aktivist*innen verfolgt, verhaftet, eingesperrt. In den schlimmsten Fällen findet ihr Engagement sogar unter Lebensgefahr statt. Daran wird deutlich, dass die Bedingungen, unter denen Menschen aktiv werden, weltweit sehr unterschiedlich sind. Laut der Organisation Global Witness sind im Zeitraum von 2018 bis 2020 mehr als 500 Klimaaktivist*innen in Südamerika und Afrika getötet worden. Menschen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, müssen geschützt und ihr Handlungsspielraum erhalten werden. Das ist eine zentrale menschenrechtliche Aufgabe.

Im Zuge von (vermeintlichen) Klimaschutzmaßnahmen werden Menschenrechte unter den Teppich gekehrt.
Eins ist klar: Wenn dieser Krise Einhalt geboten werden soll, braucht es große Umwälzungen. Innerhalb von kurzer Zeit muss das globale Wirtschaftssystem unabhängig von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle gemacht werden. Es besteht die Gefahr, dass dieser so dringend notwendige gewaltige Umbau zu neuen Menschenrechtsverletzungen führt. Das darf nicht passieren. So dürfen beispielsweise indigene Gemeinschaften nicht für Energieprojekte und Waldschutzprogramme aus ihren Lebensräumen vertrieben werden. Elektromobilität darf nicht zu Kinderarbeit bei der Förderung von benötigten Rohstoffen führen. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Öl und Kohle sowie der Einstieg in erneuerbare Energien muss menschenrechtskonform und sozialverträglich gestaltet sein.

Entscheidungsträger*innen haben menschenrechtliche Verpflichtungen – und werden diesen in Zeiten der Klimakrise viel zu häufig nicht gerecht.
Dass Mensch und Natur ausgebeutet und die Klimakrise somit befeuert wird, ist kein Zufall, sondern ist Teil eines Systems, das Profite vor Menschenrechte stellt. Weil durch die Klimakrise Menschenrechte verletzt werden, haben Regierungen und Konzerne die menschenrechtliche Verpflichtung, die Klimakrise mit allen möglichen Maßnahmen menschenrechtskonform zu bekämpfen. Menschenrechtlicher Anspruch ist dabei eine Politik, die die globale Erderwärmung auf unter 1,5°Cim Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt. Bisher reichen die Anstrengungen bei weitem nicht aus, insbesondere wohlhabende Länder werden ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Welche Menschenrechte sind betroffen?

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.
Die Klimakrise betrifft nicht alle Menschen gleich. Insbesondere Personengruppen, die am wenigsten zu den CO2 Emissionen beitragen, bekommen die Auswirkungen am härtesten zu spüren, etwa im globalen Süden. Das 1,5° Ziel nicht einzuhalten auf Kosten dieser Personen und von zukünftigen Generationen ist ungerecht und unsolidarisch.

Die Menschen in den einkommensschwächeren Ländern, vor allem in tief gelegenen, kleinen Inselstaaten und weniger entwickelten Ländern, werden vom Klimawandel am stärksten betroffen sein und sind es auch jetzt schon. Die Menschen in diesen Ländern haben nur wenig zu den Treibhausgasemissionen beigetragen, aber ihre Länder gehören zu den am meisten geschädigten.

Während einige Länder aufgrund ihrer geografischen Lage besonders anfällig für den Klimawandel sind - wie z. B. kleine Inselstaaten -, ist es kein Zufall, dass Länder mit niedrigerem Einkommen die größten Verluste und Schäden erleiden. Das liegt nicht nur daran, dass sie klimabedingten Katastrophen ausgesetzt sind, sondern auch an den dauerhaften Folgen des Kolonialismus und der damit verbundenen ungleichen Verteilung der Ressourcen unter den Ländern. Dieses Machtgefälle wird durch den heutigen Rassismus und neokoloniale Einstellungen noch verstärkt.

Die Auswirkungen des Klimawandels und der Verschmutzung durch fossile Brennstoffe verlaufen auch entlang von Rassengrenzen und anderen sozialen Hierarchien.

In Nordamerika beispielsweise sind ärmere, PoC Bevölkerungsgruppen oft gezwungen, giftige Luft einzuatmen, weil ihre Wohngegenden mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Nähe von Kraftwerken, petrochemischen Anlagen und Raffinerien gelegen sind. Sie haben deutlich höhere Raten von Atemwegserkrankungen und Krebs. Bei Afroamerikaner*innen ist die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen der Luftverschmutzung zu sterben, dreimal so hoch wie bei der US-Bevölkerung insgesamt.

Wir alle haben das Recht auf Leben, auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit. Doch der Klimawandel bedroht das Leben und die Sicherheit von Milliarden von Menschen auf diesem Planeten schon jetzt. Die offensichtlichsten Beispiele sind extreme wetterbedingte Ereignisse wie Stürme, Überschwemmungen und Waldbrände.

Aber es gibt noch viele andere, weniger sichtbare Arten, wie der Klimawandel Leben bedroht. Beispielsweise verbreiten sich durch den Temperaturanstieg Krankheiten in größere Gebiete und erschwert den Zugang zu sauberem Wasser. Die Weltgesundheitsorganisation sagt voraus, dass der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 jährlich 250.000 Todesfälle verursachen wird.

Personen, deren Berufe von natürlichen Ressoucern abhängen sind bedroht, ihre Arbeit durch die Klimakrise zu verlieren. Frauen und Mädchen sind hiervon besonders betroffen. Da ihnen der Zugang zu finanziellen oder technischen Ressourcen verwehrt wird oder sie kein Land besitzen, sind sie weniger in der Lage, sich an den Klimawandel anzupassen. Das bedeutet, dass sie durch die Auswirkungen von klimabedingten Ereignissen stärker gefährdet sind, da sie sich weniger gut dagegen schützen können und es ihnen schwerer fallen wird, sich davon zu erholen.

Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust der eigenen Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.

Nach Angaben des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) werden die wichtigsten gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels folgende sein:

  • Erhöhtes Risiko von Verletzungen
    Krankheit und Tod aufgrund von intensiveren Hitzewellen und Bränden
  • Erhöhtes Risiko der Unterernährung als Folge der verminderten Nahrungsmittelproduktion
  • erhöhtes Krankheitsrisiko durch Lebensmittel, Wasser und durch Vektoren übertragene Krankheiten

Menschen und insbesondere Kinder, die traumatischen Ereignissen wie Naturkatastrophen ausgesetzt sind - die durch den Klimawandel noch verschlimmert werden - können an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

Die Gewinnung und Verbrennung fossiler Brennstoffe schadet uns auch über die Auswirkungen des Klimas hinaus. Es gibt überzeugende wissenschaftliche Beweise, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und über 1,2 Millionen Todesfällen allein im Jahr 2020 herstellen. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Herstellung von Petrochemikalien führen nicht nur zu Luftverschmutzung, sondern die daraus resultierende globale Erwärmung verschlimmert die Luftverschmutzung noch.

Die Klimakrise bedroht auch unser Recht auf einen angemessenen Lebensstandard für uns und unsere Familien, einschließlich einer angemessenen Unterkunft.

Doch wenn die Regierungen nicht mehr tun, um den weiteren Klimawandel aufzuhalten, werden extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Waldbrände weiterhin die Häuser von Menschen zerstören und sie zu Vertriebenen machen. Auch Dürren können zu erheblichen negativen Umweltveränderungen führen, während der Anstieg des Meeresspiegels die Häuser von Millionen von Menschen in niedrig gelegenen Gebieten bedroht.

Schon jetzt werden Menschen durch den Klimawandel vertrieben, zum Beispiel in Tabasco, Mexiko, wo der Anstieg des Meeresspiegels ganze Gemeinden auslöscht.

2010 wurde das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser von der Vollversammlung der Vereinten Nationen anerkannt.

Doch die anhaltende Untätigkeit von Regierungen und Unternehmen hat uns an einen Punkt gebracht, an dem die Schnee- und Eisschmelze, geringere Niederschläge, höhere Temperaturen und der steigende Meeresspiegel die Qualität und Quantität der Wasserressourcen bedrohen. Schon jetzt haben 785 Millionen Menschen keinen Zugang zu einer wahrscheinlich sicheren Wasserquelle oder Abwasserentsorgung. Das Voranschreiten der Klimakrise wird dies noch verschlimmern.

Kinder und Jugendliche leiden bereits aufgrund ihres spezifischen Stoffwechsels, ihrer Physiologie und ihrer Entwicklungsbedürfnisse. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Vertreibung von Gemeinschaften (die sich auf eine ganze Reihe von Rechten auswirkt, von Wasser, sanitären Einrichtungen und Nahrung bis hin zu angemessenem Wohnraum, Gesundheit, Bildung und Entwicklung) für Kinder besonders schädlich sein kann.

Aktuelle Informationen von Amnesty zur Klimakrise (Auswahl)

Allgemeines von Amnesty zu Klima:
https://www.amnesty.org/en/what-we-do/climate-change/
https://www.amnesty.de/informieren/themen/klimakrise-und-menschenrechte

Aktuelle Arbeit von Amnesty in Deutschland zu Klima:
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/deutschland-luetzerath-amnesty-erinnert-an-pflicht-zur-einhaltung-des-1-5-grad-ziels
https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/deutschland-ermittlungen-kriminalisieren-klimaprotest-fridays-for-future-letzte-generation
https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/deutschland-klimaschuetzerinnen-praeventivgewahrsam-verstoss-menschenrechte
https://www.amnesty.de/klimakonferenz-cop28-interview-klimaaktivistin-tina-taylor-harry
https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/deutschland-globaler-klimastreik-amnesty-fordert-kehrtwende-klimapolitik

Aktuelle Internationale Arbeit von Amnesty zu Klima:
https://www.amnesty.org/en/documents/afr35/4874/2021/en/
https://www.amnesty.org/en/documents/pol30/3476/2021/en/
https://www.amnesty.org/en/documents/asa33/6823/2023/en/
https://www.amnesty.org/en/documents/ior40/6145/2022/en/
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/2020_No-Clean-Up-No-Justice.-Evaluation-of-UNEPs-environmental-assesment-of-Ogoniland.pdf
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/2020_On-trial-Shell-in-Nigeria.pdf
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/2021-EU-Battery-regulation-and-due-diligence-rules.pdf
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/2020_Kolumbien_Why-do-they-want-to-kill-us_Land-und-Umweltschuetzer.pdf
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/2021_Uganda_Forced-Evctions-Benet.pdf
https://amnesty-klimakrise.de/wp-content/uploads/327/ASA3348762021ENGLISH.pdf

5. Juni 2024