von Giacomo Sebis
Am 26.01.2024 verurteilte die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs Costa Ricas die Regierung zur Veröffentlichung klimabezogener Informationen. Das Verfahren basierte auf einer Beschwerde von zwölf zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche am 21.09.2023 eine Informationsanfrage an die Regierung stellten. Mit dem erfolgreichen Ausgang dieses Prozesses konnte nun eine weitere Klimaklage in Lateinamerika einen Beitrag zu einer verbesserten Klimaanpassung leisten.
I. Was sind Klimaklagen?
Klimaklagen sind Gerichtsverfahren, die darauf abzielen, Staaten und Unternehmen für klimabedingte Schäden und versäumte Klimaanpassungen zur Rechenschaft zu ziehen. In einem Bericht von UNEP[1] wurden für 2022 in der Summe 2.180 derartige Verfahren in 65 verschiedenen Rechtskreisen identifiziert. Meist handelt es sich bei den Klagenden um Bürger*innen oder Nichtregierungsorganisationen. Wesentliches Ziel dieser Klagen ist es, die konkreten klimaschutzbezogenen Pflichten von Staaten oder Unternehmen darzulegen und das Defizit der bislang ergriffenen Mittel aufzuzeigen. Die Kläger*innen nutzen dabei rechtliche Argumentationsmuster und Gesetzesspielräume innovativ aus, um Staaten und Unternehmen auf ihre Verpflichtungen zum Klimaschutz hinzuweisen. In den vergangenen Jahren haben diese Verfahren immer mehr an Bedeutung für einen effektiven Klimaschutz gewonnen.
II. Was wurde in Costa Rica entschieden?
Im vor dem costa-ricanischen Obersten Gerichtshof errungenen Urteil wurde das Recht auf Zugang zu staatlichen, klimabezogenen Informationen gestärkt. Am 21.09.2023 hatte eine Initiative bestehend aus zwölf Jugend- und Nachhaltigkeitsorganisationen beim costa-ricanischen Ministerium für Umwelt und Energie eine Anfrage auf Erhalt von klimabezogenen Daten gestellt. Diese Daten zielen darauf ab, die Einhaltung der nationalen Verpflichtungen Costa Ricas unter dem Pariser Klimaschutzabkommen besser nachvollziehbar zu machen. [2] Folgende Sektoren waren von der Anfrage betroffen: Mobilität und Transport, Entwicklung und Raumplanung, Energie, Wälder und Biodiversität, Ozeane, Wasserressourcen, Maßnahmen zur Klimaförderung, Finanzen sowie strategische Politik und Pläne.
Die costa-ricanische Regierung verweigerte anfangs die Aushändigung der Informationen. Daher beschritten die Organisationen den Rechtsweg mit einem Antrag bei der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs Costa Ricas am 22.11.2023. Infolgedessen übermittelte das costa-ricanische Umweltministerium die angefragten Informationen am 13.12.2023 an die Organisationen. Die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs urteilte schließlich am 26.01.2024. Obwohl bereits Informationen zur Verfügung gestellt wurden, bestätigte das Gericht die Verpflichtung der Regierung zur Informationsfreigabe. Die ausgehändigten Daten seien zwar lückenhaft,[3] jedoch stellt das Urteil eine wichtige Entwicklung dar. Transparenz in Sachen Klimaschutz rückt stärker in den Fokus und kann als Vorlage für weitere Verfahren (in Costa Rica und darüber hinaus) dienen.
III. Welche Trends sind in Lateinamerika für die Zukunft zu erwarten?
Im lateinamerikanischen Kontext von Klimaklagen sind in den nächsten Jahren zwei erhebliche Entwicklungen abzusehen.
Das Verfahren „Saúl v. RWE“[4] ist besonders hervorzuheben. In diesem Verfahren klagt der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE vor deutschen Gerichten. Nachdem seine 2015 am Landgericht Essen eingelegte Klage abgewiesen wurde, legte er Revision ein. Somit ist das Verfahren derzeit am OLG Hamm anhängig. Dort versucht er den Energiekonzern zu einem besseren Klimaschutz zu verpflichten. Hintergrund ist, dass sein Heimatdorf nahe einem Berghang liegt und potenziell Gefahr läuft, in Zukunft von einer Flutwelle erfasst zu werden. Eine zunehmende Gletscherschmelze, die durch den Klimawandel beschleunigt wird, gilt dabei als Ursache. RWE gehört zu einem der größten europäischen Treibhausgasemittenten. Der Kläger möchte im Rahmen des Verfahrens das Unternehmen für seinen Anteil an den Gefahren verantworten, die seiner Lebensgrundlage drohen. Nachdem die Zulässigkeit der Klage 2017 bejaht wurde, trat das Gericht in die Beweisaufnahme ein. Im Jahr 2022 fand in diesem Zusammenhang eine Ortsbesichtigung im Heimatdorf des Klägers statt. Momentan liegt das erste Gutachten vor und das Verfahren läuft weiter.
Neben Klimaklagen im oben ausgeführten Sinne beschäftigen sich einige internationale Gerichte auch auf andere Weise mit internationalem Klimaschutz. Eine dabei genutzte Methode ist die Anfertigung einer sog. Advisory Opinion. Bei einer Advisory Opinion handelt es sich um ein Gutachten, das ein Gericht zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage erstellt. Das Gericht selbst entscheidet jedoch über keinen Fall, sondern berät lediglich. Diese Möglichkeit bieten die Statuten mehrerer internationaler Gerichte. Auch der Interamerikanische Gerichtshof in San José arbeite derzeit an einer Advisory Opinion. Diese setzt sich mit menschenrechtlichen Aspekten der Klimakrise auseinander.[5] Nach Eingang des Antrags auf Anfertigung dieser Advisory Opinion Anfang 2023 wurden bis November 2023 zahlreiche Stellungnahmen staatlicher und nichtstaatlicher Akteur*innen beim Interamerikanischen Gerichtshof eingereicht. Zudem haben Ende April 2024 erste Anhörungen stattgefunden. Es wird erwartet, dass der Prozess bald äußerst wichtige Impulse für die juristische Verknüpfung von Menschenrechten und der Klimakrise setzt.
[1] Siehe: https://www.unep.org/resources/report/global-climate-litigation-report-2023-status-review (letzter Abruf: 09.06.2024).
[2] Siehe: https://larutadelclima.org/wp-content/uploads/2024/02/58959-comunicado-de-prensa-.pdf (letzter Abruf: 09.06.2024).
[3] Siehe: https://delfino.cr/2024/03/organizaciones-senalan-falta-de-transparencia-del-gobierno-en-materia-ambiental (letzter Abruf: 09.06.2024).
[4] Siehe: https://rwe.climatecase.org/de (letzter Abruf: 09.06.2024).
[5] Siehe: https://climatecasechart.com/non-us-case/request-for-an-advisory-opinion-on-the-scope-of-the-state-obligations-for-responding-to-the-climate-emergency/ (letzter Abruf: 09.06.2024).