Pressemitteilung | Original (englisch): hier | 01. August 2024
- Unmenschliche Haftbedingungen, verschlimmert durch eine beispiellose Hitzewelle
- Nach Informationen von Amnesty International starben zwischen Januar und Juli 2023 mindestens 46 Gefangene in vier Gefängnissen
- Die beninischen Behörden müssen sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachzukommen und die Haftbedingungen zu verbessern.
Gefangene in Benin waren im vergangenen Jahr schmutzigen, überfüllten Zellen ausgesetzt und erhielten kein sauberes Wasser und keine medizinische Behandlung. Nach Angaben von Gesundheits- und Gefängnismitarbeiter*innen starben im vergangenen Jahr innerhalb von sieben Monaten mehrere Dutzend Häftlinge, so Amnesty International heute.
Amnesty International fordert die Behörden in Benin auf, sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Bedingungen in den 11 Gefängnissen des Landes zu verbessern und die internationalen Menschenrechtsstandards für die Behandlung von Gefangenen, die so genannten Nelson-Mandela-Regeln, einzuhalten. Die Organisation führte vom 19. Juni bis 21. Juli 2023 Gespräche mit 500 Gefangenen, medizinischem Personal und Gefängnisbeamt*innen und besuchte die Gefängnisse.
„Wir begrüßen die von den Behörden gegebene Möglichkeit, die Gefängnisse des Landes zu besuchen, aber unsere Untersuchung hat unmenschliche, inakzeptable Haftbedingungen aufgedeckt“, sagte Dieudonné Dagbéto, Exekutivdirektor von Amnesty International Benin.
„Die beninischen Behörden müssen ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen und die Nelson-Mandela-Regeln der Vereinten Nationen einhalten, indem sie dringend etwas gegen die Überbelegung der Gefängnisse unternehmen und den Zugang zu medizinischer Versorgung und Trinkwasser verbessern“, sagte Samira Daoud, Regionaldirektorin von Amnesty International für West- und Zentralafrika.
Überfüllte Gefängnisse
Alle Gefängnisse in Benin sind überfüllt, und die Zahl der Gefangenen steigt. Von weniger als 7.000 Gefangenen im Jahr 2016, so ein ehemaliger Justizminister, sind es nach Angaben des Direktors der beninischen Gefängnisbehörde bis Dezember 2023 18.170.
Im Gefängnis von Missérété, das für rund 1.000 Gefangene gebaut wurde, waren zum Zeitpunkt des Besuchs von Amnesty International im Jahr 2023 3.742 Gefangene inhaftiert – fast das Vierfache seiner Kapazität. Im Gefängnis von Porto-Novo, das für 250 Gefangene gebaut wurde, waren 1.554 Gefangene untergebracht, also das Sechsfache seiner Kapazität. Im Gefängnis von Cotonou, das für 700 Gefangene ausgelegt ist, waren 1.595 Gefangene inhaftiert.
Die meisten Gefangenen sind gezwungen, auf dem Boden zu liegen, auf der Seite, ohne die Möglichkeit, sich umzudrehen, so Amnesty International. In Gefängnissen mit Betten müssen drei oder vier Personen auf einer einzigen Matratze liegen.
Die Gebäude, die sich Hunderte von Gefangenen teilen, haben nur schmale Öffnungen, die keine ausreichende Belüftung ermöglichen. Die meisten Gefängnisse, die die Researcher von Amnesty International besuchten, waren trotz der großen Hitze nicht mit Ventilatoren ausgestattet. Stattdessen versuchen die Gefangenen, sich mit eigenen Mitteln abzukühlen: „Wir kaufen Eis und gießen uns kühles Wasser über den Körper“, sagte eine Gefangene im Gefängnis von Porto-Novo. In diesem Gefängnis stellte Amnesty International fest, dass nicht funktionierende Ventilatoren vorhanden waren, von denen einige im Leerlauf liefen, ohne dass sie etwas an der Hitze in den Gebäuden änderten.
Einige Zellen sind überhaupt nicht belüftet, wie die 12 „Strafzellen“ in Missérété, wo Dutzende von Gefangenen in brütender Hitze zusammengepfercht sind und nur abends zur Abkühlung ins Freie gelassen werden. In demselben Gefängnis dürfen mutmaßliche Mitglieder bewaffneter Gruppen nur ein oder zwei Stunden am Tag nach draußen.
Die Luft in den Gebäuden und Zellen ist auch wegen der fehlenden sanitären Anlagen nicht zu ertragen. Die Gefangenen sind nicht in der Lage, auf saubere und anständige Weise auf die Toilette zu gehen. Im Gefängnis von Porto-Novo urinieren und defäkieren die Frauen in Töpfe, die sie auch als Kopfkissen benutzen. Die Männer benutzen ein kleines Fass, das in der Mitte eines der Gebäude steht und zu dem nur die Eingangstür führt.
Hitzewellen verschlimmern die Bedingungen in den Gefängnissen
Länder am Golf von Guinea wie Benin erlebten in der ersten Jahreshälfte 2024 eine rekordverdächtige Hitze. Die Kombination aus hohen Temperaturen und feuchter Luft führte laut dem vom WWA entwickelten Index zu durchschnittlichen Hitzeindexwerten von rund 50°C.
„In einer Zeit rekordverdächtiger Hitze müssen die beninischen Behörden dringend wirksame Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass die Gefängnisse des Landes zu Todesfallen werden“, sagte Samira Daoud.
Die Nelson-Mandela-Regeln besagen, dass jeder Gefangene Zugang zu Trinkwasser haben muss, wenn er es braucht. Dieses Recht wird jedoch in mehreren Gefängnissen nicht respektiert, obwohl empfohlen wird, bei heißem Wetter mehr Wasser zu trinken. Ein Gefangener in Abomey-Calavi sagte: „Das Wasser, das wir trinken, kommt aus einer Zisterne. Es ist nicht trinkbar. Wenn wir nicht genug Wasser haben, bringt uns die Feuerwehr schmutziges Wasser, und wir kämpfen darum.“
Während des Besuchs von Amnesty International sagten Gefangene in einem der Gebäude des Missérété-Gefängnisses, sie hätten seit vier Monaten kein fließendes Wasser mehr gehabt. In Savalou hat das Gefängnis keinen Zugang zu Trinkwasser, weil es in der Gegend kein fließendes Wasser gibt, so der Direktor.
Trotz der ständigen Malariagefahr in Benin, die während der Regenzeit von Juni bis November zunimmt, waren in mehreren von Amnesty International besuchten Gefängnissen keine Moskitonetze verfügbar. Im Gefängnis von Natitingou waren zerrissene Netze zu sehen.
„Die Verbesserung der Haftbedingungen in zivilen Gefängnissen im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards ist Teil des Aktionsprogramms der Regierung für den Fünfjahreszeitraum bis 2026. Mit einem starken politischen Willen ist es noch möglich, diese Ziele zu erreichen“, sagte Dieudonné Dagbéto.
„Wir haben Fehler gemacht, aber das ist kein Grund, uns hier zu töten“
Ein Gefangener des Gefängnisses von Abomey-Calavi hat auf die beklagenswerten Haftbedingungen und insbesondere auf die Fesseln hingewiesen, mit denen die Häftlinge gefesselt werden und die schmerzhafte Verletzungen an den Knöcheln verursachen: „Wir haben Fehler gemacht, aber das ist kein Grund, uns hier zu töten“.
Die schlechten Haftbedingungen erhöhen das Krankheitsrisiko, und die extremen Temperaturen können zu einem Hitzschlag führen, der eine medizinische Notversorgung erfordert. Die Behörden kommen jedoch ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen in Bezug auf die medizinische Versorgung generell nicht nach.
In den Gefängnissen fehlt medizinisches Personal. In keinem der besuchten Gefängnisse gibt es ständige staatliche Ärzt*innen. Die Krankenstationen, die von zwei oder drei Pflegekräften geleitet werden, werden zweimal wöchentlich von Ärzt*innen der NRO Bénin Excellence unterstützt. In Natitingou werden nach Angaben einer Pflegekraft 400 bis 600 Gefangene pro Monat behandelt. In den Gefängnissen von Missérété, Parakou und Abomey kommen drei Pflegekräfte auf 3.742 Gefangene, drei Pflegekräfte auf 1.491 Gefangene und zwei Plflegekräfte auf 2.468 Gefangene.
Eine Pflegekraft im Gefängnis von Abomey-Calavi sagte: „Sie sind Pflegekraft, und das Schicksal von 2.000 Menschen liegt in Ihren Händen. Das ist nicht normal.“
Die Gefangenen berichteten, dass Medikamente oft verweigert werden, nicht verfügbar oder veraltet sind. Ein Gefangener im Ouidah-Gefängnis sagte: „Wir bekommen oft Rezepte, aber selten Medikamente.“
Ein anderer Gefangener im Gefängnis von Abomey-Calavi sagte: „Wenn man zu sauber ist, denken sie, man hätte Geld und geben einem keine Medikamente“. Eine Gefangene im Gefängnis von Abomey sagte, sie habe im Juni 2023 Medikamente erhalten, die im Dezember 2022 abgelaufen waren.
Den von Amnesty International gesammelten Zeugenaussagen zufolge wird Gefangenen manchmal die Behandlung durch das Pflege- oder Verwaltungspersonal verweigert, selbst in Notfällen. Eine Gefangene im Gefängnis von Abomey-Calavi sagte, dass ihr eine Behandlung wegen Regelschmerzen verweigert wurde. Ein Mitgefangener sagte: „Ich habe ein Hämorrhoidenproblem, aber die Pflegekraft sagte, dass sie keine Hämorrhoidenpatient*innen mehr behandelt“. Ein Gefangener, der im Gefängnis von Missérété in einer Isolierzelle untergebracht war, sagte: „Ich hatte einen Asthmaanfall, aber der Zellenwärter weigerte sich, die Tür zu öffnen.“
In Abomey-Calavi berichteten einige Gefangene, dass sie keinen Zugang zur Krankenstation erhalten, wenn sie nicht ihren Haftbefehl vorlegen können, und dass ihnen das Dokument nicht immer ausgehändigt wird. „Ich habe meinen Haftbefehl vor einer Woche beim Standesamt beantragt, aber ich habe ihn immer noch nicht erhalten“, sagte ein Gefangener.
Verzögerungen und Verweigerung der Behandlung können dramatische Folgen haben. Einem Gefangenen zufolge starb ein 22-Jähriger, nachdem er einen Krampfanfall erlitten und zwei Stunden gewartet hatte, bis die Wärter eintrafen. „Am nächsten Tag wurde uns mitgeteilt, dass er gestorben war. Er hatte noch zwei Monate Haft vor sich, bevor er entlassen worden wäre“.
Untersuchungshaft über die gesetzliche Frist hinaus
Im Dezember 2023 befanden sich nach Angaben der Strafvollzugsbehörden etwa 55% der 18.170 in Benin inhaftierten Personen in Untersuchungshaft.
Amnesty International traf etwa 20 Personen, die über die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren hinaus in Untersuchungshaft festgehalten wurden. Einige waren bis zu 20 Jahre lang inhaftiert, was einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung Benins, die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte darstellt, zu dessen Vertragsstaaten Benin gehört. Von Amnesty International eingesehene Entscheidungen des Verfassungsgerichts belegen den willkürlichen Charakter bestimmter Inhaftierungen.
„Die Behörden müssen Personen, die länger als gesetzlich vorgeschrieben in Untersuchungshaft gehalten werden, unverzüglich freilassen“, sagte Fabien Offner, Researcher im Regionalbüro von Amnesty International für West- und Zentralafrika. „Die Behörden sollten auch die Strafvollzugspolitik überprüfen und eine Reihe von Maßnahmen ohne Freiheitsentzug anbieten, um die Überfüllung der Gefängnisse zu bekämpfen. Das Dekret über die gemeinnützige Arbeit vom 31. Januar 2024 ist eine heilsame Maßnahme, die sofort umgesetzt werden muss“.
Hintergrund
Vom 19. Juni bis 21. Juli 2023 besuchte eine Delegation von Amnesty International alle 11 Gefängnisse des Landes. Die Researcher trafen sich mit 500 Gefangenen, 13 Pflegekräften, neun Gefängnisdirektor*innen und zwei Wärter*innen.
Am 8. Dezember 2023 traf eine Delegation von Amnesty International mit dem Direktor der Gefängnisbehörde von Benin zusammen, der die Organisation darüber informierte, dass man beabsichtige, die Einstellung von medizinischem Personal zu verstärken. Diese Einstellungsprozesse wurden Anfang 2024 eingeleitet.
Am 4. Juli 2024 sandte Amnesty International ein Schreiben an den Minister für Justiz und Gesetzgebung und bot ihm die Möglichkeit, auf die wichtigsten Schlussfolgerungen in dieser Veröffentlichung zu antworten. Bis zum 22. Juli war noch keine Antwort eingegangen. Am 24. Juli teilte die Regierung dem Ministerrat jedoch mit, dass „ein Vertrag für ein komplettes Projektmanagement im Rahmen des Projekts zur Erweiterung und Renovierung von fünf Gefängnissen unterzeichnet wurde“.