Europa: Neues Amnesty-Briefing analysiert wegweisende Klima-Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 

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Pressemitteilung | Original (englisch): hier | 21. August 2024

Amnesty International hat heute ein Briefing veröffentlicht, das drei wegweisende Klima-Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 9. April 2024 analysiert, die von schweizer Seniorinnen, sechs jungen Portugies*innen und einem ehemaligen französischen Bürgermeister und Mitglied des Europäischen Parlaments angestrengt wurden. 

Climate in action, ruled out!“ gibt einen Überblick über die vom EGMR entwickelte neue Klimarechtsprechung. Das Briefing konzentriert sich insbesondere auf den Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und Andere gegen die Schweiz, das erste Grundsatzurteil des Gerichtshofs, das die Pflicht der Staaten zur Wahrung der Menschenrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert sind, im Zusammenhang mit der sich rasch verschärfenden Klimakrise umreißt. 

„Strategische Rechtsstreitigkeiten sind ein wirksames Instrument, um Staaten für ihre Versäumnisse bei der Eindämmung der Klimakrise zur Rechenschaft zu ziehen und die Rechte von Milliarden von Menschen besser zu schützen, angefangen bei den am stärksten Ausgegrenzten“, sagte Mandi Mudarikwa, Leiterin der Abteilung Strategische Rechtsstreitigkeiten von Amnesty International.

In diesem Fall klagten ältere Schweizerinnen über gesundheitliche Probleme, die sich bei Hitzewellen verschlimmern. Das Gericht stellte fest, dass die unzureichenden Maßnahmen der Schweiz zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (einschließlich des Fehlens eines Kohlenstoffbudgets) ihr Recht auf Privat- und Familienleben verletzten, das ein Recht auf wirksamen Schutz vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben, die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Menschen umfasst. Dem Urteil zufolge hat es die Schweiz versäumt, die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen, um die globale Erwärmung auf 1,5° Celsius über dem Industrieniveau zu begrenzen – eine völkerrechtliche Vorgabe – und hat keine wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ausgearbeitet und umgesetzt, die die Kläger vor Schaden bewahren würden.

Am 12. Juni 2024 stimmte das Schweizer Parlament jedoch dafür, das Urteil teilweise außer Kraft zu setzen. Es wird erwartet, dass die Schweizer Regierung in den kommenden Wochen ihren Aktionsplan zum Urteil vorlegen wird.  

„Die Abstimmung im Schweizer Parlament war sehr enttäuschend. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind rechtlich bindend, und ihre Nichtbeachtung hat Konsequenzen. Die Schweizer Regierung hat nun die Möglichkeit, der Entscheidung des Gerichtshofs nachzukommen. Eine Fortsetzung des vom Parlament eingeschlagenen Weges wäre eine Katastrophe für die Rechtsstaatlichkeit in der Schweiz und in Europa“, sagte Mandi Mudarikwa.

Hintergrund  

Die drei Klima-Urteile vom 9. April reihen sich ein in die zunehmende internationale Rechtsprechung zu den Verpflichtungen der Staaten, die Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu erfüllen, die durch die Klimakrise ausgehöhlt werden. Amnesty International veröffentlicht dieses Briefing, um zivilgesellschaftliche Organisationen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Unterstützer*innen zu unterstützen, die mehr über Klimagerechtigkeit vor dem EGMR erfahren möchten, insbesondere angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen, die das Urteil in der Schweiz ablehne