COP29: Staaten müssen aserbaidschanische Behörden drängen, Angriffe auf die Zivilgesellschaft zu beenden

Pressemitteilung | Original (englisch): hier | 8. Oktober 2024

Im Vorfeld des COP29-Klimagipfels in Baku im nächsten Monat müssen die Staaten Druck auf die aserbaidschanischen Behörden ausüben, damit diese ihr hartes Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft aufgeben, diejenigen freilassen, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben, und sicherstellen, dass die Teilnehmer*innen, einschließlich Aktivist*innen und Journalist*innen, frei und uneingeschränkt an der Veranstaltung teilnehmen können, so Amnesty International heute.

Seit Aserbaidschan im vergangenen Dezember als Gastgeber der COP29 bekannt gegeben wurde, haben die Behörden ihr Vorgehen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung verschärft. Unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen wurden geschlossen und Kritiker*innen unter politisch motivierten Anschuldigungen eingesperrt oder ins Exil gezwungen. Dies ist ein erschreckendes Echo auf frühere Übergriffe, die Amnesty International im Zusammenhang mit anderen großen internationalen Veranstaltungen in Aserbaidschan dokumentiert hat, darunter die Eurovision 2012 und die Europaspiele 2015.

„Aserbaidschan richtet eine internationale Konferenz zum Thema Klimagerechtigkeit aus und untergräbt gleichzeitig aktiv die Hauptpfeiler des Klimaaktivismus, indem es alle Formen der kritischen Meinungsäußerung und Proteste unterdrückt und die lokale Zivilgesellschaft zerschlägt. Die aserbaidschanischen Behörden haben Hunderte von Menschen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert, weil sie es gewagt haben, ihre Meinung zu äußern. Auf der Liste stehen Journalist*innen, Aktivist*innen und regierungskritische Menschenrechtsverteidiger*innen, die willkürlich inhaftiert sind, ohne dass ein ordentliches Verfahren oder eine Garantie für ein faires Verfahren gewährleistet ist“, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

„Die Behörden setzen auch Angehörige von Dissident*innen Repressalien aus und verabschieden repressive Gesetze, um die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Medien zu behindern. Der Versuch der aserbaidschanischen Regierung, ihre miserable Menschenrechtsbilanz hinter einem globalen Klimagipfel zu verstecken, ist eklatantes Greenwashing.“

Aserbaidschanische Menschenrechtsverteidiger*innen schätzen, dass etwa 300 Personen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert sind. Darunter sind Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen sowie Umwelt-, politische und andere Aktivist*innen, die unter erfundenen und/oder politisch motivierten Anschuldigungen als Vergeltung für ihre Kritik an den Behörden verfolgt werden. So befindet sich beispielsweise der prominente Menschenrechtsverteidiger und Klimaschützer Anar Mammadli seit dem 30. April 2024 in Untersuchungshaft, weil er unter dem Vorwurf der Verschwörung zur illegalen Einfuhr von Devisen in das Land angeklagt wurde.

Der Wirtschaftswissenschaftler und politische Aktivist Gubad Ibadoghlu wurde am 22. April 2024 nach 274 Tagen Haft in Hausarrest versetzt. Der Oppositionelle Tofig Yagublu befindet sich seit dem 15. Dezember 2023 wegen falscher Anschuldigungen wegen Betrugs und Fälschung in Untersuchungshaft. Zu den Inhaftierten gehören außerdem: Ulvi Hasanli, Ilhamiz Guliyev, Mahammad Kekelov, Sevinj Vagifgyzy, Elnara Gasimova, Nargiz Absalamova Hafiz Babali, Imran Aliyev, Shamo Eminov, Teymur Karimov, Arshad Ibrahimov, Ibrahim Humbatov, Alasgar Mammadli, Mushfig Jabbar, Akif Gubanov, Ruslan Izzatli, Ramil Babayev Ali Zeynalov, Afiaddin Mammadov und Bakhtiyar Hajiyev.

Bedrohung durch Repressalien, nachdem das Rampenlicht der COP29 schwindet

Amnesty International ist besorgt darüber, dass Kritiker*innen, die sich im Vorfeld oder während der COP29 zu Wort melden, dem Risiko schwerer Repressalien ausgesetzt sind, insbesondere nach der Konferenz, die vom 11. bis 22. November stattfindet, wenn das Land nicht mehr im Rampenlicht steht.

„Wir fordern alle Delegationen, die an der COP29 teilnehmen, auf, die aserbaidschanische Regierung zu drängen, ihr hartes Durchgreifen gegen die Zivilgesellschaft zu beenden, die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung während der gesamten Konferenz und darüber hinaus zu gewährleisten und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Verschlechterung der Menschenrechtslage im Land umzukehren. Die Delegierten sollten jede Gelegenheit nutzen, um die aserbaidschanischen Behörden zu drängen, die Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Regierungskritiker*innen einzustellen und alle Personen, die als Vergeltung für ihre Menschenrechtsarbeit und abweichende Meinungen willkürlich inhaftiert wurden, unverzüglich freizulassen“, sagte Agnès Callamard.

Amnesty International wird die polizeiliche Bekämpfung der Proteste durch die aserbaidschanischen Behörden sowie die Behandlung von Umweltaktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen vor, während und nach der COP29 weiter beobachten.

Die Sorge um die Sicherheit der Teilnehmer*innen wird durch den fehlenden Menschenrechtsschutz und die mangelnde Transparenz bei früheren Gastlandabkommen (Host Country Agreements, HCAs) noch verstärkt. Das HCA der COP29 sollte solche Schutzmaßnahmen enthalten und nach der Unterzeichnung rasch veröffentlicht werden.

„Es ist sehr besorgniserregend, dass das Gastlandabkommen noch nicht veröffentlicht wurde, so dass die Teilnehmer*innen nicht wissen, ob das UNFCCC-Sekretariat eine Garantie dafür erhalten hat, dass alle grundlegenden Menschenrechtsprinzipien, einschließlich Transparenz und Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, während der COP29 geschützt werden. Die Vereinbarung muss unverzüglich veröffentlicht werden, da diese Undurchsichtigkeit die Teilnahme von Beobachter*innen abschreckt. Diese Schutzmaßnahmen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass sich die katastrophale Situation während des letztjährigen Gipfels nicht wiederholt, als die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate damit begannen, Dutzende von Dissident*innen, darunter Menschenrechtsverteidiger*innen und Gefangene aus Gewissensgründen, in massiven Scheinprozessen zu verfolgen, die eine atemberaubende Missachtung der Menschenrechte erkennen ließen“, sagte Agnès Callamard.

Amnesty International hat dokumentiert, wie bei früheren COP-Klimagipfeln, unter anderem in Polen, Spanien, dem Vereinigten Königreich, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten, das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung eingeschränkt wurde. Amnesty International hat auch in Aserbaidschan schwerwiegende Verletzungen dieser und anderer Rechte festgestellt, die Besorgnis über die Sicherheit der Teilnehmer*innen an der diesjährigen COP hervorrufen.

„Wenn die aserbaidschanischen Behörden ihr repressives Vorgehen nicht drastisch ändern, werden zivilgesellschaftliche Organisationen, unabhängige Medien und Aktivist*innen nicht in der Lage sein, ihre kritischen Ansichten frei zu äußern oder auf sinnvolle und effektive Weise an der COP29 teilzunehmen. Dies würde den Prozess ernsthaft unterminieren und das Ergebnis der Konferenz beeinträchtigen. Um eine wirklich effektive Wirkung zu erzielen, muss die Konferenz ein Forum für den freien Austausch von Meinungen und Ideen sein – nicht nur die der staatlichen Delegierten, sondern auch die der unabhängigen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die die treibende Kraft für Klimagerechtigkeit und Menschenrechte sind, sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene“, sagte Agnès Callamard.

Hintergrund

Die aserbaidschanischen Behörden sind wegen angeblicher Folter und anderer Misshandlungen von Regierungskritiker*innen international in die Kritik geraten. In einigen Fällen wird Personen, deren Gesundheitszustand sich im Gefängnis verschlechtert, der Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung verweigert. Darüber hinaus wurden auch Verwandte und Familienangehörige von Regierungskritiker*innen ins Visier genommen, entweder durch Verleumdungskampagnen oder durch das Einfrieren ihres Vermögens im Rahmen finanzieller Sanktionen.

Aserbaidschan hat in den letzten Jahren auch restriktive Gesetze erlassen, die die Arbeit von Medien und Nichtregierungsorganisationen übermäßig regulieren, während friedliche Proteste seit über einem Jahrzehnt stark eingeschränkt werden.