Pressemitteilung | Original (englisch): hier | 16. Januar 2025
Im Vorfeld des jährlichen Treffens des Weltwirtschaftsforums in Davos, das am 20. Januar beginnt, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard:
„Wenn sich viele der reichsten und mächtigsten Menschen der Welt wieder einmal in Davos treffen, müssen sie die Schwere der Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, und die dringende Notwendigkeit eines Kurswechsels anerkennen. Die Themen der diesjährigen Veranstaltung werfen einige schwierige Fragen auf, die angegangen werden müssen.
Treten wir wirklich in ein ‘intelligentes Zeitalter’ ein, wie es das Weltwirtschaftsforum behauptet? Während künstliche Intelligenz, Robotik und biotechnologische Fortschritte unser Leben revolutionieren sollen, gibt es keine Garantie dafür, dass die gesamte Menschheit davon profitieren wird. Expert*innen und die Gemeinschaften, die am stärksten von der unkontrollierten Nutzung und dem Einsatz dieser Technologien betroffen sind, haben bereits genug Warnungen vor ihnen geäußert.
Wir müssen äußerst vorsichtig sein, wie wir uns in diesen unbekannten Gewässern bewegen, denn es ist nicht intelligent, Technologieunternehmen Amok laufen zu lassen, ohne robuste Sicherheitsvorkehrungen, die uns vor den schlimmsten Impulsen der Unternehmensmacht und den nachteiligen Folgen eines beispiellosen technologischen Wachstums schützen.
Es ist nicht intelligent, technologische Sprünge zuzulassen, die bestehende Spaltungen und Ungleichheiten vertiefen und autoritäre Praktiken erleichtern, wie wir es bereits erleben. Es ist nicht intelligent, Maschinen Entscheidungen über die Tötung von Menschen treffen zu lassen und die Aushebelung des Völkerrechts zu ermöglichen.
So vielversprechend das digitale Zeitalter auch sein mag, es hat uns auch weit verbreitete Ängste, eine verstärkte Polarisierung und ein Meer von Desinformationen beschert. Ohne einen eisernen Menschenrechtsschutz im Herzen des technologischen Entwicklungsprozesses könnte die Utopie, die einige versprechen, nur allzu leicht in eine Dystopie umschlagen.
Das Gerede vom Schutz des Planeten wird so lange hohl klingen, bis die Staats- und Regierungschef*innen nicht mehr zulassen, dass die Unternehmen für fossile Brennstoffe unsere Zukunft durch ihr unerbittliches, alles verzehrendes Profitstreben opfern. Die Unternehmen, die sich von früheren Zusagen, das Wachstum der fossilen Brennstoffindustrie zu stoppen, zurückziehen, werden kostspielige Zerstörungen und unsägliche Menschenrechtsverletzungen verursachen. Der Schutz unseres Planeten muss mit der Zusage beginnen, die Klimafinanzierung erheblich aufzustocken und einen raschen, vollständigen und gerechten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu finanzieren, während gleichzeitig die betroffenen Gemeinschaften bei der Anpassung an die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels unterstützt werden und Wiedergutmachung für klimabedingte Verluste geleistet wird.
Wachstum neu zu denken, erfordert ein echtes Engagement für die Reform des globalen Finanzsystems. Wenn dies eine lohnende Aufgabe sein soll, müssen die Teilnehmer*innen aufhören, das bröckelnde System zu stützen, das einer winzigen Minderheit unvorstellbaren Reichtum auf Kosten des Leidens von Milliarden Menschen beschert. Anstatt diese Probleme aufrechtzuerhalten, müssen die in Davos Versammelten ihren beträchtlichen Einfluss nutzen, um sie zu lösen. Sie müssen erkennen, dass die menschlichen und wirtschaftlichen Kosten der Aufrechterhaltung des Status quo ebenso unkalkulierbar wie ungerechtfertigt sind.
Wenn wir eine bessere Zukunft erreichen wollen, müssen wir unsere Wachstums- und Wohlstandsparadigmen überdenken und unser Denken über enge Maßstäbe wie das BIP hinaus erweitern. Um strukturelle und systemische Ungleichheiten wirksam zu bekämpfen, müssen wir neue und innovative Wege finden, um gemeinsame und nachhaltige Fortschritte zu messen und zu erzielen. Mutiges, entschlossenes und menschenrechtsbasiertes Handeln ist der einzige Weg, um eine Zukunft zu sichern, in der sowohl die Menschenwürde als auch unser Planet gedeihen.“
Agnès Callamard wird während der gesamten Dauer der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums vom 20. bis 24. Januar in Davos anwesend sein. Sie wird den Medien für Interviews zu einer Reihe von Menschenrechtsthemen zur Verfügung stehen, darunter:
- Israels Völkermord an den Palästinenser*innen in Gaza
- Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die anhaltenden Konflikte im Sudan und in Myanmar
- Die Menschenrechtsverpflichtungen der neuen Trump-Administration
- Bekämpfung des Anstiegs autoritärer Praktiken, des globalen Angriffs auf Menschenrechtsverteidiger*innen und der Einschränkung des zivilen Raums
- Die Klimakrise und die Notwendigkeit einer gerechten Besteuerung für die Klimafinanzierung und die Verwirklichung der Rechte
- Überdenken der Paradigmen des menschlichen Fortschritts, einschließlich Wohlstand, Wachstum und Umverteilung
- Die Bedeutung der Bekämpfung von Korruption, Steuerhinterziehung und aggressiver Steuervermeidung durch Einzelpersonen und Unternehmen zum Wohle der Menschenrechte
- Künstliche Intelligenz, Big Tech, digitale Überwachung und das Recht auf Privatsphäre
- Die Notwendigkeit, das internationale Recht zu überdenken, um die auf Regeln basierende Ordnung und die Rechenschaftspflicht zu stärken, auch für Unternehmen und andere nichtstaatliche Akteure
- Die Notwendigkeit, Menschenrechtsnormen und internationale Institutionen so weiterzuentwickeln, dass sie für das moderne Zeitalter und die kommenden Herausforderungen geeignet sind
New York Times-Debatte in Davos
Agnès Callamard wird auch an der New York Time Debate in Davos teilnehmen.
Thema: „This House believes it is time for the U.S. to step aside“
Termin: Mittwoch, 22. Januar 2025
Zeit: 18:00 bis 19:30 Uhr Ortszeit
Ort: Hotel Morosani Schweizerhof – Restaurant Damoro, Promenade 50, 7270 Davos Platz, Schweiz
Informationen für Journalist*innen
Agnès Callamard ist eine internationale Menschenrechtsexpertin. Als führende Verfechterin des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Feministin und Antirassismus-Aktivistin steht Dr. Callamard an vorderster Front der internationalen Bemühungen zur Bekämpfung einiger der größten Menschenrechtsprobleme unserer Zeit. Im Jahr 2021 wurde sie zur Generalsekretärin von Amnesty International ernannt.