Just Transition in Sápmi

Bericht von Amnesty International in Finnland | Originial (englisch) hier (amnesty.fi) | 13. September 2023

Just Transition in Sápmi ist ein Kooperationsprojekt von drei Amnesty-Sektionen und dem Saami Council. Das Projekt fordert eine stärkere Anerkennung und Einbeziehung der Rechte der Sámi als indigenes Volk in die Klima- und Energiepolitik.

Die Auswirkungen der Klimakrise verschärfen sich überall auf der Welt. In der Arktis erwärmt sich das Klima bis zu viermal schneller als anderswo.

Die Erwärmung des Klimas bedroht sowohl die biologische Vielfalt des Nordens als auch die traditionellen Lebensgrundlagen und kulturellen Praktiken indigener Völker, wie der Sami. Die arktische Natur und die indigenen Völker sind auch durch den zunehmenden Druck auf die Landnutzung bedroht, etwa durch Initiativen für grüne Energie, Abholzung und Bergbau. Viele neue Initiativen werden mit der Notwendigkeit eines grünen Übergangs und des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen begründet.

Ein schneller Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist notwendig, aber die Energiewende muss in einer Weise erfolgen, die gerecht ist und die Menschenrechte respektiert. Die Amnesty-Sektionen in Finnland, Norwegen und Schweden und der Sami-Rat arbeiten gemeinsam an dem Projekt „Just Transition in Sápmi“, dass eine stärkere Anerkennung und Einbeziehung der Rechte der Sami als indigenes Volk in die Klimapolitik fordert.

Sápmi ist das Wort der Nordsami für das Heimatgebiet der Sami, das sich über die Grenzen Finnlands, Schwedens, Norwegens und der Halbinsel Kola in Russland erstreckt.

Rechte der Sami als indigenes Volk
Die Rechte der Sami als indigenes Volk sind in der finnischen Verfassung verankert. Das bedeutet, dass die Sami neben ihren individuellen Rechten auch kollektive Rechte als Volk haben, wie z. B. das Recht, ihre Sprache und Kultur, einschließlich ihrer traditionellen Lebensgrundlagen, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Indigene Völker haben auch ein Recht auf Selbstbestimmung über ihre politischen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Ein zentraler Aspekt des Selbstbestimmungsrechts indigener Völker ist der Grundsatz der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (Free, Prior and Informed Consent, FPIC). Dies bedeutet, dass Staaten die Zustimmung der indigenen Völker einholen müssen, bevor sie Initiativen genehmigen und umsetzen, die sich auf ihre Menschenrechte auswirken.

Klimawandel und „grüner Übergang“ bedrohen Rentierzucht

Die traditionelle Rentierzucht ist der sichtbarste Aspekt der samischen Kultur und eine der wichtigsten Säulen für die bedrohte samische Sprache und Kultur. Der Klimawandel und Landnutzungsinitiativen, die das Hirtenland fragmentieren, sind daher eine ernste Bedrohung für die Existenz und das Überleben der samischen Kultur.

Die sich ändernden Klima- und Wetterbedingungen sind eine große Herausforderung für die Rentierzucht, die an die nördlichen Ökosysteme und Bedingungen angepasst ist. Wenn die Flechten, von denen sich die Rentiere im Winter ernähren, gefriert, bevor sie durch eine Schneeschicht geschützt sind, sind sie für die Rentiere schwer zugänglich. Wenn die Witterungsbedingungen in den Wintermonaten zwischen warm und kalt schwanken, gefriert die oberste Schneeschicht und erschwert den Rentieren das Graben nach den darunter liegenden Flechten.

Wenn dies geschieht, verhungern die Rentiere oder sie sind auf zusätzliche Fütterung angewiesen, was für die Hirten eine finanzielle Belastung darstellt. Die Situation ist am schlimmsten in Rentierzuchtgemeinschaften, in denen die extensive Abholzung zum Verlust der Bartflechte geführt hat, die eine zentrale Nahrungsquelle für die Rentiere im Winter darstellte.

Die Samen haben ihr traditionelles Weideland seit Jahrhunderten durch Abholzung, Bergbau und künstliche Stauseen verloren. In den letzten Jahren hat der Druck auf die Landnutzung durch die so genannte grüne Transformation zugenommen. In Sápmi werden immer mehr grüne Energieprojekte wie Windparks und Bergwerke geplant. Neue industrielle Initiativen bedeuten in der Regel auch neue Straßen, Eisenbahnen und Stromleitungen, die das Weideland weiter zerstückeln. Der Verlust der wenigen verbliebenen Weideflächen macht die Rentierhaltung unmöglich.

Auf der schwedischen Seite von Sápmi hat der grüne Wandel zu einem Bergbauboom geführt, und die samischen Gemeinden haben durch die Bergbauinitiativen Hirtenland und traditionelle Wege verloren. Im nordschwedischen Gállok zum Beispiel leisten Sami und Umweltaktivist*innen seit über zehn Jahren Widerstand gegen Bergbaupläne. Der grüne Wandel hat auch in Finnisch-Lappland die Erzexploration und den Bergbau beschleunigt. In den vergangenen Jahren haben Anträge auf Mineralienexploration in den Gebieten der Rentierzuchtgemeinschaften von Ivalo, Hammastunturi, Lappi und der nordwestlichen ‘Käsivarsi’-Region Besorgnis und Widerstand ausgelöst.

Auf der norwegischen Seite von Sápmi hat der grüne Wandel vor allem zum Bau von Windparks geführt. 151 Windturbinen wurden in Mittelnorwegen auf der Halbinsel Fosen gebaut, obwohl die örtlichen Sámi dagegen waren und der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung an Norwegen appellierte, die Initiative zu stoppen.

Im Oktober 2021 entschied der Oberste Gerichtshof Norwegens, dass zwei Windparks in dem Gebiet illegal sind und die Rechte der Sami verletzen. Im Frühjahr 2023, 500 Tage nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, versammelten sich Hunderte von Sami und ihre Unterstützer*innen auf den Straßen von Oslo, um die Regierung aufzufordern, der Entscheidung Folge zu leisten. Der Premierministerin entschuldigte sich, aber die norwegische Regierung ist immer noch nicht bereit, die Windparks abzureißen.

Auch in Nordnorwegen, direkt an der finnischen Grenze im Rástigáisá-Fjällgebiet, wird der Davvi-Windpark ohne die vorherige Zustimmung der Samen geplant. Dieses Gebiet ist nicht nur für die Rentierzucht von Bedeutung, sondern auch ein Zentrum der biologischen Vielfalt in der gesamten Finnmark und ein heiliger Ort für die Samen.

Projekt „Just Transition in Sápmi“

Die Amnesty-Sektionen in Finnland, Norwegen und Schweden werden gemeinsam mit dem Sami-Rat Informationen über den zunehmenden Landnutzungsdruck, der durch die grüne Transformation verursacht wird, sowie über Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Landnutzung in Sápmi sammeln.

„Just Transition in Sápmi“ ist ein zweijähriges Projekt, das im Frühjahr 2023 begann. Das Projekt fördert das Bewusstsein und die Berücksichtigung der Rechte der Sámi in der Klimapolitik und als Teil eines gerechten grünen Übergangs. Es erforscht die Defizite und Probleme bei der Umsetzung des Prinzips der freien, vorherigen und informierten Zustimmung und zeigt Lösungen und bewährte Verfahren für die Erfüllung der Rechte der Samen auf.

Während des Projekts werden wir Informationen zusammenstellen und über das Thema kommunizieren, Veranstaltungen und Schulungen organisieren sowie Lobbyarbeit betreiben.

Weitere Informationen und Rückfragen (bitte auf englisch oder finnisch formulieren):

  • Elina Mikola, Beraterin, Klima und Umwelt, elina.mikola@amnesty.fi
  • Kukka Ranta, Beraterin, Sámi-Rechte, kukka.ranta@amnesty.fi